Fukushima- kommt atomares Armageddon? Teil 1

Lesedauer 6 Minuten

…..UPDATE / Dienstag 15. März—-14.56 Uhr—- Ein starkes Nachbeben hat am Dienstagabend 22.30 Uhr (Ortszeit) den Großraum Tokio erschüttert. Die Katastrophe in Fukushima gilt nun offiziell als „schwerer Unfall“ – nur der Super-Gau in Tschernobyl war -bisher- noch gravierender—Merkels heutige Ankündigung zur Abschaltung von „Alt-AKWs“ habe nach Meinung von Rechtsexperten  keine Rechtsgrundlage.

(Am Ende des Artikel LIVE-TICKER von Süddeutsche.de)

Hier der Artikel, Stand 14. März 2011 08:38

Nun ist es also passiert, das, was die so genannten Experten immer für unmöglich erklärt haben. Ein Erdbeben vor Japan mit der inzwischen nach oben korrigierten Stärke von 9,0 und eine nachfolgende Tsunamiwelle von zehn Metern Höhe. Man wird am Ende wohl zehntausende von Toten zählen.

Religiöse Gruppierungen mögen das als Anzeichen, für einen bevorstehenden Weltuntergang sehen, den manche glauben aus dem Johannesevangelium herauslesen zu können. Dort taucht das Wort „Harmagedon“ oder „Armageddon“auf. Die Wissenschaft kennt jedoch das Auftreten von Tsunamis und kann dieses Phänomen mindestens 5000 Jahre weit zurückverfolgen. Im pazifischen Raum lassen sich fast regelmäßig alle 200 Jahre Spuren von großen Flutwellen finden, die durch heftige Erdbeben ausgelöst wurden. Das hängt damit zusammen, dass die Erdoberfläche aus großen Schollen besteht, die sich ständig gegeneinander bewegen. So treten starke Spannungen auf, die sich ruckartig in Form von Erdbeben entladen. Somit sind Erdbeben und dazugehörige Flutwellen eine irdische Realität, der Normalfall, wenn man so will.

Erstaunlich nun, wie sehr sich das menschliche Bewusstsein weigert, die geologischen Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Seit Jahrtausenden werden auf den kritischen, den hochgradig gefährdeten Zonen immer wieder Siedlungen errichtet. Es ist, als hätten die Menschen aller Länder in dieser Hinsicht einen blinden Fleck, einen Blackout, um es noch deutlicher zu sagen, einen Hirnschaden.

Die Katastrophe in Japan hat jedoch Folgen, die die Sache unendlich viel schlimmer machen können. Ausgerechnet in einer der gefährlichsten Regionen, die man sich vorstellen kann, wurden zahlreiche Atomkraftwerke mit Dutzenden von Reaktorblöcken gebaut.

Selbstverständlich galten diese Reaktoren als die sichersten der Welt. Sie sind technisch ähnlich ausgestattet wie die deutschen Kraftwerke, denen ja auch eine große Sicherheit zugeschrieben wird. Ausgelegt waren die japanischen Kraftwerke für Beben mit eine Stärke bis 8,2. Diesmal war das Beben ca. siebenmal stärker.

Kernschmelze: Sein oder Nichtsein….

Der Stand der Dinge ist jetzt folgender: Im Kraftwerk Fukushima konnte der Block 1 nicht mehr gekühlt werden. Austretende Gase haben in einer gewaltigen Explosion die Außenhülle pulverisiert. Im inneren Druckbehälter muss eine Kernschmelze angenommen werden. Das bedeutet, dass sich die Kernbrennstäbe auf 1500 bis 2000 Grad erhitzen. Dabei schmelzen sie, und fressen sich in den Boden hinein und setzen ihre millionenfach tödliche Radioaktivität frei. Der Druck im Behälter steigt weiter an, bis in einer gewaltigen Explosion, die innere Hülle zerbirst und das gesamte radioaktive Material freisetzt. Das nennt man dann den Super-Gau.

Ist es nun schon zur Kernschmelze gekommen oder steht sie bevor?

Umweltminister Röttgen vermutet, dass es in Fukushima zu einer Kernschmelze gekommen ist. „Anhand der uns vorliegenden Informationen neigen wir dazu, dass dort eine Kernschmelze im Gange ist“, sagte Röttgen dem WDR.

Geradezu typisch für atomare Unfälle ist das entstehende Informationsdesaster. Die japanische Regierung hält bislang wesentliche Informationen zurück. Niemand scheint fähig zu sein, die Lage zuverlässig beurteilen zu können. Bei atomaren Katastrophen verfallen die Verantwortlichen regelmäßig in einen Geisteszustand, der der frühen Kindheit entspricht.

Auch das gehört zur Struktur, die im psychologischen Umfeld der Atomwirtschaft anzutreffen ist.

Aber alles ist noch viel viel schlimmer. Die Nachrichten überschlagen sich. In fünf von zehn Reaktorblöcken soll die lebenswichtige Kühlung ausgefallen sein. Angeblich ist es zu einer weiteren Kernschmelze gekommen. Die anderen Reaktorblöcke werden mit Batteriebetrieb gekühlt. Einige wurden mit Meerwasser geflutet. Im ganzen Chaos deutet sich an, dass darüber hinaus noch weitere Reaktoren, zum Beispiel in Tokai, am Rande einer Kernschmelze stehen.

Was wird, was kann passieren?

Einige der Reaktorblöcke können in die Luft fliegen und damit hundertmal mehr Radioaktivität freisetzen, als damals in Tschernobyl freigesetzt wurde. Nun ist Japan zwanzigmal dichter besiedelt, als es die Gegend um Tschernobyl war.

In nur 250 Kilometern Entfernung der möglicherweise bald explodierenden Reaktorblöcke liegt die Millionenstadt Tokio. Noch weht der Wind Richtung Osten auf das Meer hinaus.

Nicht auszudenken, was dann geschehen könnte. In der Umgebung von Fukushima wurden je nach Quelle zwischen 200.000 und 400.000 Menschen evakuiert oder sie sind geflohen. Aber kann man 35 Millionen Menschen im Wirtschaftsraum Tokio evakuieren?

Falls wirklich mehrere Reaktorblöcke ihre Radioaktivität freisetzen, dann könnte das für Japan tatsächlich zu einem atomaren Armageddon führen. Hunderttausende Tote wären möglich, der Wirtschaftsraum Japan wäre für Jahrzehnte erledigt. Darum kann man den Japanern nur alles erdenkliche Glück wünschen und gegebenenfalls für sie beten.

Doch nun zu den Reaktionen in Deutschland, einen Land mit den ebenfalls „sichersten Reaktoren“ der Welt.

„Der Technikvorstand des Energiekonzerns RWE, Gerd Jäger, sieht keinen Grund, die Laufzeitverlängerung für deutsche Meiler bis 2035 zu überdenken. In Deutschland würden „höchste Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke angesetzt, und sie werden von uns erfüllt“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Anlagen würden zudem „regelmäßig überprüft und kontinuierlich auch weiterentwickelt“.“

Aber was meint die Atomkanzlerin Merkel, die die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Deutschland durchgesetzt hat?

Merkel nach der Lagebesprechung mit dem Krisenstab: „Ich verstehe jeden, der sich in Deutschland Sorgen macht.“ Nach „menschlichem Ermessen“ sei es jedoch nicht vorstellbar, dass Deutschland von der Katastrophe in Japan betroffen sei. „Wir sind zu weit entfernt.“ Zugleich kündigte sie eine Überprüfung der Sicherheitsstandards bei den deutschen Atomkraftwerken an. „Die Geschehnisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt.“ Wenn in einem hoch entwickelten Land wie Japan ein solcher Unfall passiere, könne „auch Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“.

Diese Äußerungen sind Beruhigungspillen hinter denen ein rücksichtsloses „weiter so“ steckt.

Gibt es in Deutschland auch eine Erdbeben-Gefahr?

Als durchaus gefährlich gilt der Rheingraben. Ausgerechnet hier stehen einige Atomkraftwerke, zum Beispiel Biblis.. Ob man sich bezüglich möglicher Erdbeben hier auch um den Faktor zehn, wie in Japan geschehen täuscht?

Nicht nur bei Erdbeben und Flutwellen sind die Menschen notorisch betriebsblind. Auch und gerade bei allen Prozessen, die mit Radioaktivität zusammenhängen sind sie, als wären sie von einer Hirnlähmung befallen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Einbringung von radioaktiven Abfällen in die Grube Asse. Nun, da es zu einem Wassereinbruch gekommen ist, muss die dortige radioaktive Brühe für Milliarden entsorgt werden. Selbst komplette Idioten hätten kein schlechteres Ergebnis zustande bringen können.

Bleibt die ewige Frage: Wann wird man je versteh`n, wann wird man je versteh`n?

Aktuelle Entwicklung in Japan hier im LIVETICKER auf Süddeutsche.de

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